Ich sehe (was war)
9 digitale Bilderrahmen (schwarz), jpg und mpg
gleichzeitig abgespielt, längste Sequenz: 12:30 min
Video Arte Castelmur, 1.6.–20.10.2013
Fotos: Ralph Feiner
Die historischen Räume des Palazzo Castelmur unterliegen einem musealen Konzept, das dem Nacherleben der Zeit der Palazzo-Erschaffer dient. In den Wohnräumen aber lebten in seiner Vergangenheit nicht nur der Baron und die Baronessa de Castelmur und ihren Nachfahren. 1961, als der Palazzo von der Ortsgemeinde erworben und als Museum für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, zog der Verwalter mit seiner Familie in den Palast ein. Dabei wurden Museumsbetrieb und Wohnraum bestimmt und funktionierten teilweise sogar parallel.
Karin Bühler entlarvt den prunkvollen Palazzo-Anbau als Scheinschloss, als Kindheitstraum der Erbauer. Die repräsentativen Räume wurden im Alltag nicht benutzt. Die museale Wohnsituation vergleicht die Künstlerin mit einer Zeitblase, der sie mit ihrer Intervention Ich sehe (was war) Lebensgeist einhaucht.
Der Titel lehnt sich an das Medium Video an. Video – lat. ich sehe – bietet die Möglichkeit, das Geschehen einzufangen und das Aufgenommene, das aus der Vergangenheit stammt, immer wieder zu sehen; Zeit und Raum werden verrückbar. In aufwendigen Recherchen machte die Appenzeller Künstlerin sämtliche lebenden Personen ausfindig, die einst im Palazzo gewohnt hatten, und befragte sie nach deren Erinnerungen an das Leben im Palazzo. Es sind die Kinder des damaligen Verwalters sowie der Ur-ur-urneffe der Baronin, welche von ihren unterschiedlichen Erinnerungen an den Palazzo berichten. Aus dem gesammelten Material wählte die Künstlerin, die in ihren Arbeiten immer andere sprechen lässt, die griffigsten Beschreibungen in Form von Bild- und Textsequenzen. Den ungegenständlichen, nicht fassbaren Erinnerungen gibt Karin Bühler in ihrer künstlerischen Umsetzung mit digitalen Bilderrahmen Gestalt. Diese ersetzen auf der edlen Kommode im bezaubernden grünen Schlafzimmer mit seiner illusionistischen Deckenmalerei vielleicht dereinst dort platzierte Fotorahmen.
Das Schlafzimmer ist der Raum der Träume. So werden die gesammelten Erinnerungen Tagträumen gleich abgespielt. Wie aus einer Musikdose ertönt sanfte Musik – es sind die heute umgesetzten Noten, zu denen der Baron Verse geschrieben hatte, sowie der Gesang nach den Versen. Die leicht entrückten Klänge rühren vom antiken, längst nicht mehr benutzten Tafelklavier aus Nîmes, das das Musikzimmer des Erdgeschosses ziert.
Die Intervention vermag den Betrachter in den Bann dieser anfänglich beschriebenen Zeitblase zu ziehen. Die bei den Erzählungen und ihrer Übersetzung entstandene Intimität ist das Resultat eines sehr sensiblen Zugangs sowie der eingehenden Recherche der Künstlerin.
Céline Gaillard
Bildmaterial:
- Fotos der Palazzo-Begehung am 29.9.2012
- abfotografierte Fotos von Giorgio Binacardi
- abfotografierte Fotos von Clelia Walther
- abfotografierte Fotos vom Bündner Staatsarchiv
Das Textmaterial basiert auf Gesprächen mit der ehemaligen Verwalterfamilie (fünf Geschwister) und eines Nachfahrens der Annetta und des Giovanni de Castelmur
Tonmaterial:
Am 18.5.2013 fanden im Palazzo Castelmur Tonaufnahmen mit Gabriela Krapf (Gesang) und Kristjan Döhring (Tafelklavier) statt. Es wurde das Notenblatt «Romance» mit einem Text von Jean de Castelmur vertont. Bei GIORGIO ertönt das Tafelklavier mit gesummtem Lied.
1 HANS RUDOLF
jpg, 800x480 px, 38 Bilder à 10 s
2 CLELIA
jpg, 800x600 px, 152 Bilder à 5 s
3 GIAN
jpg, 1024x768 px, 138 Bilder à 3 s
4 Palazzo
jpg, 800x600 px, 32 Bilder à 30 s
5 GIORGIO
mpg, 480 x 576, Stereo, 12:30 min
6 GIACOMO
mpg, 720 x 576, ohne Ton, 5:37 min
7 ANGELA
mpg, 720 x 576, ohne Ton, 4:47 min
8 SILVIA
jpg, 800x480 px, 66 Bilder à 10 s
9 Zimmer
jpg, 800x480 px, 16 Bilder à 30 s