In dem die Zeiten sich bespiegeln
Splitscreen mit historischem Tonfilm «Abessinienflug» von Walter Mittelholzer (1934) und Bild-Textsequenzen von Karin Karinna Bühler (2014/2015)
Video mov. mit Ton, 1:09:35 h
Modell Mittelholzer - Der Afrikaflug als Anlass, St.Gallen, 27.2.–3.5.2015
Walter Mittelholzer machte das Fliegen in der Schweiz populär. Und er prägte das Schweizer Afrikabild: Seine Filme füllten Kinosäle, seine Reisebücher waren Bestseller. Ein solches Reisebuch stand auch in der elterlichen Wohnwand und prägte meine Vorstellung von Menschen in Afrika: Lehmhütten mit Strohdächern, grossen Schmuck, halbnackten Menschen.
Der damals 40jährige Walter unternahm bereits mehrere Persien- und Afrikaflüge. 1934 reist mit Gefolge nach Abessinien, dem heutigen Äthiopien, um dem Kaiser Haile Selassie das bestellte Flugzeug zu überbringen. Der Hinflug und die anschliessende Landreise gehen als erste schweizerische Tonfilm-Expedition in die Geschichte ein. Ich, ebenfalls 40jährig, Künstlerin und Mutter von zwei Schulkindern, unternehme nun alleine eine Reise entlang der Spuren des Abenteurers und Tausendsassa nach Äthiopien. Auch ziemlich verwegen.
Als 10-Jährige erfuhr ich von der äusserst verstörenden Hungersnot in Äthiopien (1984-1985). Es hiess dann: “Iss den Teller leer, die Kinder in Äthiopien würden sich darum streiten!” Ein Clash der Kulturen, des Wohlstands, der auch noch heute fortdauert?
Wie zeigt sich das Leben in Äthiopien heute? 30 Jahre nach der Hungersnot? 80 Jahre nach Mittelholzers Abessinienflug? Wo steht das einstige Kaiserreich heute als demokratische Bundesrepublik? Welche tieferen Einsichten werden in der gegebenen Zeit möglich sein? Während Mittelholzers Blick auf die indigene Bevölkerung aus postkolonialer Sicht als exotisierend und sexistisch kritisiert wird - mit welchem Blick bereise ich das Land?
Mein Beitrag ist als Subtext, als Reflektion zu Widersprüchlichem oder Bestätigendem der vorgeführten Bilder und Kommentare aus dem historischen Film zu verstehen. Mit unvoreingenommenem Blick auf das heutige Äthiopien erhoffe ich mir Inhalte für einen (selbst)kritischen und das Heute manifestierenden Erzählstrang zu finden – es soll das Damalige gespiegelt und ein reflektierendes Dazwischen hergestellt werden.
Dank:
Ursula Badrutt, Leiterin Amt für Kultur Kanton St.Gallen
Wolfgang Steiger und Kaspar Surber, Co-Kuratoren
Michel Dind, Cinématheque suisse, nationales filmarchiv
Rudolf Müller, Memoriav, Verein zur Erhaltung der audiovisuellen Güter der Schweiz
Pete Gassmann, Präsens Film AG