Karin Karinna Bühler

  Bildende Künstlerin und Informationswissenschaftlerin. Kritische Neugierde prägt meine Arbeit. Ich analysiere unsere Gesellschaft und hinterfrage die Art und Weise, wie wir mit Sprache, mit Geschichte und Geschlecht umgehen.  


2017

Installation, Textarbeit, Migration, Traum, Graubünden, ortsspezifisch

HO UN SOGNO




Arbeiten wo andere Urlaub machen

Aluminium, Lack
430 cm x 110 cm x 2 cm

... Mit fremden Augen sehen, Kunstwege Pontresina, 24.6. – 19.10.2017

Installationsansicht
Standort Schlosshotel




Text von Ursula Badrutt HO UN SOGNO
Abseits der Via Maistra, wo sich Hotel an Hotel, Geschäft an Geschäft reihen, blitzt rücklings und erst beim Verlassen des Innenhofs wahrzunehmen der entscheidende Satz auf: HO UN SOGNO. In weissen Lettern ist er an der Passerelle, die zwei Gebäudekomplexe verbindet, angebracht. Pragmatismus prägt die Szenerie. Die an der Fassade montierte Satellitenschüssel bringt ein Stück Herkunft in Form von Fernsehprogrammen in die Zimmerstunde, den Feierabend. Es ist der Ort der Saisoniers. Und der Sehnsucht. Hier, in den auf den Innenhof stossenden Personalzimmern sind sie untergebracht, die Angestellten des Hotelbetriebes. Gesprochen wird italienisch. Oder Portugiesisch. Oder Tamilisch. Einige der Angestellten werden bleiben, vielleicht eine neue, eine zweite Heimat finden, andere werden wieder gehen. Doch Träume lassen sich nicht vertreiben. Karin K. Bühler fügt der vorgefundenen Situation eine Textarbeit hinzu, die wie die Ankündigung eines imaginären Films erscheint, die Martin Luther Kings Freiheitsrede assoziiert, das Lied von Abba, die Vision von Gerechtigkeit, die Suche nach einer besseren Welt.

TENHO UM SONHO
Das Plakat scheint zwischengelagert, vom Lauf der Dinge und der Zeit vergessen wie die Frau, die es darstellt und die auf den Ziffern der Sonnenuhr heiter ruht, sich sonnt, tagträumt – von 8.30 Uhr bis 17 Uhr – ein laszives Memento Mori in Wanderschuhen. Werbegrafiker Martin Peikert hat das Bild 1939 entworfen. Noch heute wird damit geworben für den Ort, der Tourismusgeschichte geschrieben hat. Karin K. Bühler stellt weitere Tafeln dazu, alle lehnen sie krude an der Wand der Garage 10, eine sich überlagernde Ansammlung von Lebensrealitäten an jenem Ort, wo Autogaragen des Hotels zu improvisierter Werkstätte und Lagerschopf geworden sind. Die Träume der Frau und die Träume der dazugestellten Texte und Textfragmente bilden Vektoren aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Alltagsstrukturen und weisen in verschiedene Richtungen. Glamouröses und Luxuriöses treffen auf die Suche nach Arbeit in einem fremden Land, auf Dringliches im Kampf um verbesserte Lebensbedingungen, um das nackte Überleben. Der Blick hinter die Kulissen des Hoteldorfs erinnert daran, dass Migration von Menschen schon lange Teil der Welt ist. Tenho um sonho, ich habe einen Traum.
 

Installationsansicht
Standort Hotel Walther